Eintrag 250 vom: 26.03.09 um 23:36:46
Name: JuliansDad
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TEIL 1 …
mein lieber sohn,
jetzt ist es fast 12 wochen her dass du weggegangen bist. fast drei monate … fast ein viertel jahr. und der schmerz hält an. wir haben soviel durchgemacht in dieser zeit. du kannst dir gar nicht vorstellen wieviel. keiner kann das. keiner, der sowas nicht selbst durchleben musste. diese woche hatten wir wieder einen schweren gang. wir haben beim steinmetz die schrift für deinen grabstein freigegeben. er wurde jetzt aufs grab gelegt. damit haben wir das letzte bürokratische kapitel deines fortgehens hinter uns gebracht. aber das macht es nicht leichter.
wenn du geahnt hättest, wieviel trauer, schmerz und leid du verursachen würdest, dann hättest du es dir sicher nochmal überlegt. wir leiden immer noch sehr. allen voran deine mum. sie leidet schrecklich. wenn sie in gesellschaft von freunden und bekannten ist, oder die deine schwestern um sie rum sind, dann reisst sich schwer zusammen. dann könnte man manchmal meinen, sie ist schon einen großen schritt weiter. aber abends, wenn wir unter uns sind, ist jedes lächeln aus ihrem gesicht verschwunden. dann seh ich immer nur ihre traurigen augen.
und mir selbst geht es ähnlich, aber auf eine andere weise. ich schaffe es nicht so gut meinen schmerz zu verbergen wenn jemand da ist. ich fühle mich freier, wenn ich zuhause bin, aber wenn ich ganz allein bin, kann die stimmung ganz schnell kippen. ich rauche wieder. viereinhalb jahre hatte ich aufgehört, das ist jetzt geschichte, egal. vielleicht höre ich irgendwann wieder auf, momentan nicht vorstellbar. als ich deinen körper im zk identifizieren musste (keine 12 stunden nachdem wir die schreckliche nachricht erfahren haben), war ich vollkommen taub. wie ein statist, der in einem film daneben steht. keine emotionen, keine tränen. nachdem deine mum zusammengebrochen war, baute ich eine mauer in mir auf. automatisch. von einem augenblick zum anderen. selbstschutz, oder wahrscheinlich auch, um deiner mum und deinen geschwistern halt geben zu können. es hat funktioniert, ich habe funktioniert. aber jetzt bröckelt die mauer.